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• Rudolf Eucken, Mensch
und Welt. Eine Philosophie des Lebens. 1918 - Gutenberg;
archive.org; Jazzybee Verlag, 2012 bij books.google
2. Die Behandlung des Problems in der Philosophie
Aber das neue Leben unterliegt bei aller Größe auch
vielfachem Zweifel. Ist wirklich das Denken das ausschließliche Maß und das
Erkennen der Hauptinhalt des Lebens? Wird damit nichts manches verworfen oder
doch weit zurückgestellt, was ein gutes Recht auf Geltung und Wirkung hat,
gerät das Leben bei aller äußeren Weite nicht innerlich in eine zu enge Bahn?
Vor allem aber: bildet es nicht einen inneren Widerspruch, das Leben auf sich
selbst zu stellen und es zugleich ganz und gar in ein Welterkennen zu
verwandeln? Denn damit wird es doch an etwas Fremdes gebunden, zu dem es kein
inneres Verhältnis gewinnen kann. Das bleibt ein Widerspruch, an dem die ganze
Aufklärung leidet: sie zerstört den unmittelbaren Zusammenhang von Mensch und
Welt, aber sie läßt eine Welt neben dem Menschen stehen und richtet ihn
zwingend darauf; von der Denkarbeit wird nun verlangt, den zerrissenen
Zusammenhang wiederherzustellen. Das führte unvermeidlich zu künstlichen
Konstruktionen, und diese Künstlichkeit übertrug sich auf
das Leben selbst und ließ es nicht zu einem gehaltvollen Beisichselbstsein
gelangen. Es sollte bei sich selber sein und wurde zugleich über sich
Hinausgetrieben.
Wenn Descartes einen Abschluß nur erreicht mit Hilfe
der alten Denkart, der sein eignes Verfahren widersprach, so verbindet Spinoza
noch mehr Altes und Neues zu gemeinsamer Wirkung. Auch er läßt eine Welt neben
den Menschen stehen und fordert ihn zu ihrer Aneignung auf, aber er versucht
einen neuen Weg zur Herstellung einer Gemeinschaft. Dieser besteht darin, daß
im menschlichen Leben selbst zwischen einer höheren und einer niederen Art
geschieden wird, von denen jene einen Weltcharakter trägt, diese dagegen dem
bloßen Menschen angehört und in Weltbegriffe nicht einfließen darf. Jene Art
findet Spinoza im Denken, einem von sachlicher Notwendigkeit beherrschten, über
die Vorstellungen, Triebe, Zwecke des Menschen erhabenen Denken, diese im
sinnlichen Vorstellen sowie in dem es beherrschenden Getriebe der subjektiv
menschlichen Zustände und Affekte. Das gilt ihm als der Quell unsäglicher
Irrung und Verwirrung, daß der Mensch seine besondere Art in das unermeßliche
All hineinlegt, Wertunterschiede in es hineinträgt, sich selbst als den
Mittelpunkt des Ganzen behandelt; eine Befreiung davon und ein sicherer
Aufstieg zur Wahrheit, ein Einswerden mit der Wirklichkeit scheint aber
erreichbar, wenn der Mensch den Schwerpunkt seines Lebens in ein Denken verlegt,
das nicht in vereinzelte Akte aufgeht, sondern eine feste Verkettung bildet,
eignen Gesetzen folgt, in sich selbst seine Triebkraft trägt. Daß aber, was so
im Menschen vorgeht, unmittelbar auch der Welt angehört und
den Menschen ihr Leben teilen läßt, das steht und fällt mit einer besonderen
Voraussetzung. Ein einziges Sein und Geschehen muß alle Mannigfaltigkeit in
sich tragen, muß im besondern den Gegensatz von Subjekt und Objekt umspannen;
nur bei Begründung in einem solchen Ganzen kann die einzelne Stelle die Welt
als eigen erleben. Es geschieht das aber bei Spinoza in zwiefacher Weise.
Einmal bildet das wissenschaftliche Denken mit seiner aus sich selbst bewegten
Kausalverkettung ein Gegenstück zur Natur, indem die Ordnung der Ideen genau
der Ordnung der Dinge entspricht; sodann aber scheint das Denken in Erhebung
zur Intuition imstande, mit dem tragenden und belebenden Grunde des Alls völlig
eins zu werden und von ihm aus die ganze Unendlichkeit zu eignem Besitz zu
gewinnen. Indem so die Welt dem Menschen sowohl in ihrem Grunde als in ihrer
Entfaltung (als natura naturans wie als natura naturata) sich
eröffnet, gewinnt sein Leben eine unermeßliche Weite und zugleich das stolze
Gefühl, in sicherer Wahrheit zu stehen. Es ist sehr begreiflich, daß das Ganze
mit seinen großen und einfachen Zügen starken Eindruck auf die Menschheit
machte, daß namentlich künstlerische Naturen der hier verkündigte enge
Zusammenhang von Mensch und Welt überwältigend fortriß; auch sind zweifellos
bedeutende Weiterbildungen der Welt des Menschen von hier ausgegangen. Aber
zugleich ist gegenwärtig zu halten, daß die Größe des allgemeinen Entwurfs
nicht das Nähere der Ausführung deckt; je mehr wir uns mit ihm befassen, desto
mehr Verwicklungen werden ersichtlich. Die Einigung des Menschen
mit der Welt wird hier nur erreicht durch ein Zusammenwirken alter und neuer
Denkart. Denn das Ausgehen vom All als dem sicheren Grunde widerspricht direkt
der neuen Art, deren Wendung zum Menschen das All in die Ferne gerückt und in
ein Problem verwandelt hatte. Nur durch einen kühnen Sprung wird bei Spinoza
die Kluft überbrückt. Auch gestaltet sich das Verhältnis zum All und der Inhalt
des Lebens grundverschieden, je nachdem der schaffende Grund oder die
Entfaltung zur Welt es beherrscht. Bei der Weltgestaltung entsteht ein
Parallelismus zwischen Gedankenreich und Natur, wobei diese das Hauptgeschehen
bildet, das Innenleben aber zu einer bloßen Begleitung sinkt und als solche
seine Kraft und seine Gesetze gänzlich der Natur entlehnt. Wenn dagegen die
Intuition weit über den Parallelismus hinaus eine völlige Einigung mit dem
Grunde der Wirklichkeit herstellt, so erscheint dieser bei aller Erhabenheit
über die Begriffe des Menschen als von innerem Leben erfüllt, als geistiger
Natur. Die sichtbare Welt aber wird hier zur Entfaltung dieses Lebens, zum
herrlichen Kleide der Gottheit. So wölbt sich über dem breiten Gebiet, das der
Naturalismus beherrscht, eine Welt der Mystik mit ihrer Innerlichkeit. Bei
allem Unterschiede, ja Gegensatz stimmen aber beide darin zusammen, dem Leben
zum einzigen Inhalt ein Erkennen zu geben; das Erkennen allein mit seiner
Affektlosigkeit scheint das menschliche Leben von seiner Enge befreien und zu
einem Teilhaben am Ganzen des Weltalls führen zu können. Der damit begonnene Kampf
gegen menschliche Enge und Selbstsucht war ein berechtigter
Rückschlag gegen die ältere Denkart, welche namentlich im Durchschnitt des
Alltags die Welt unbedenklich nach menschlichen Größen und Zwecken deutete und
alles Geschehen auf den Menschen als Mittelpunkt der Wirklichkeit bezog; aber
deckt sich die Grenze zwischen Kosmischem und Bloßmenschlichem in unserem Leben
mit der von reinem Denken und sonstigem Leben, geht die Scheidung zwischen
höherer und niederer Art nicht durch alle Seiten des Seelenlebens hindurch?
Überschreitet nicht Spinoza selbst das bloße Denken, wenn er den Menschen nicht
der Welt der Wahrheit schon zugehörig findet, sondern von ihm eine Versetzung
dahin und damit eine Umwälzung seines ganzen Seins verlangt? Jedenfalls ist die
Folge der spinozistischen Scheidung, daß je mehr sich das Leben hier zur Welt
erweitert, es desto mehr an Kraft und Wärme einbüßt, es desto mehr allen
seelischen Inhalt preisgibt; die Erweiterung müßte zu einer Zerstörung werden,
wenn nicht unablässig aus der älteren Lebensführung eine Ergänzung käme, wenn
die Welt des Denkers nicht viel weiter und reicher wäre als seine Begriffe es
sind.
Aber mag Spinoza weder die Verbindung des Menschen mit
der Welt hinlänglich sichern noch auch dem Leben einen genügenden und einen
eindeutigen Inhalt geben, wir verdanken ihm trotzdem große Weiterbildungen und
förderliche Anregungen. Er zuerst hat den Kampf gegen das Kleinmenschliche im
Bereich des Menschen selbst aufgenommen, er konnte das aber nur, indem er hier
ein zusammenhängendes Gefüge entdeckte und in ihm das Weltleben unmittelbar
ergriff. Eigentümlich wirkt dabei der Kontrast, daß das
Leben hier in seinem Kern die stille und freudige Ruhe der Kontemplation
erreicht, daß aber der Weg dahin eine völlige Umkehrung, eine Tat des ganzen
Wesens fordert. Auch das mag ein Widerspruch sein, jedenfalls ist es ein
Widerspruch, der Leben weckt und das Streben vorwärts treibt.
Leibniz, der nächste
große Denker in dieser Reihe, ist zunächst gegen Spinoza vielfach im Nachteil.
Ihm fehlt dessen schlichte Größe und Einfalt; als der klassische Denker der
Barockzeit schätzt er vielmehr das Gewagte und Künstliche, kühne und
überraschende Konstruktionen, auch fehlt ihm die Kraft der Verneinung und
zugleich die Schärfe der Scheidung, worin Spinoza groß ist. Aber seine Freude
am Bauen und seine Neigung zu bejahen und auszugleichen ist der Ausdruck eines
kräftigeren Lebensgefühls, das mehr in der Wirklichkeit sehen und mehr aus ihr
machen möchte, das in Wahrheit mehr inneres Leben, mehr Reichtum, mehr
Zusammenhang in ihr entdeckt. Im besondern ist es der Gedanke der
Individualität, der dabei kräftig hervortritt und auch die Behandlung unseres
Problems auf neue Bahnen treibt.
_________________
[1x Spinoza in §] 4.
Folgerungen für die Erkenntnisarbeit; a)
Die Hauptzüge des Erkennens
Ein Erkennen, das so
eng mit dem Leben zusammenhängt, hat auch eine besondere Stellung innerhalb des
Seelenlebens, es darf sich bei aller Selbständigkeit, die das Denken, sein
Werkzeug, besitzt, nicht mit kühler Gleichgültigkeit vom übrigen Leben
abschließen wollen. Das Verlangen eines affektlosen Denkens hat nur insoweit
Recht, als es ein Einfließen kleinmenschlicher Interessen und Gefühle
verbietet; wo aber das Erkennen einen Hauptmitarbeiter eines neuen Lebens
bedeutet, da hat es unablässig zu kämpfen, da kann es nicht vorwärtskommen ohne
Aufbietung und Einsetzung der ganzen Seele, ohne ein inneres Feuer, das seine
Arbeit durchglüht. Spinoza selbst, der besonders darauf drang, nicht zu weinen
oder zu lachen, sondern lediglich zu verstehen, der Großartiges geleistet hat
in seiner Behandlung der Seelenzustände nach Art mathematischer Größen, hat
doch einen Affekt im höheren Sinne mit aller Kraft wieder eingeführt und mit
Recht gelehrt, ein Affekt sei nur durch einen Affekt, nie durch bloße
Betrachtung, zu überwinden. So wenig also kleinmenschliche Denkart in das
Erkennen einfließen sollte, das Denken erhebt sich aus reflektierendem zu
produktivem Denken und damit zum Erkennen nur, wenn das Ganze des Lebens hinter
ihm steht und sein Vermögen in es hineinlegt.
Hier voeg ik nog een stukje toe van Hans Klumbies over
Hier voeg ik nog een stukje toe van Hans Klumbies over
• Rudolf Eucken, Der
Sinn und Wert des Lebens, 1907, Zweite völlig umgearbeitete Auflage,
Leipzig, 1910 in microform bij archive.org;
vierte Auflage 1914 bij Gutenberg; Jazzybee Verlag, 2012 bij books.google
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Hans Klumbies,
Die Kultur hat den Menschen in wachsende Verwicklungen geführt [blog 1. oktober
2013 cf.]
Es gibt
Menschen, die suchen wahrhaftiges Glück, indem sie nach mehr Charakterentwicklung
und Persönlichkeit streben und nach einer persönlichen Gestaltung ihres
Daseins. Laut Rudolf Eucken muss hier die künstlerische Betätigung der
ethischen Aufgabe weichen. Die Entwicklung der Persönlichkeit geht einher mit
einer Umwälzung der vorgefundenen Wirklichkeit und dem Aufbau einer neuen
Realität. Schon Immanuel Kant erkannte deutlich, dass es kein Persönlichwerden
ohne eine Erhebung des Lebens zur Freiheit, Selbstständigkeit und
Ursprünglichkeit gibt. Die Welt des natürlichen Daseins gewährt für solche
Forderungen allerdings keinen Platz. Später sah es allerdings manchmal so aus,
als sein ohne viel Anstrengung eine wesentliche Erhöhung des Lebens erreichbar.
Rudolf Eucken hält diese Vorstellung für einen groben Irrtum.
Die Menschen stehen ihrem allmächtigen Schicksal wehrlos
gegenüber
Was in
früheren Zeiten eine feste Grundlage des Glücks und eine Hilfe zu seiner
Entwicklung gewährte, gibt den Menschen der Gegenwart nicht mehr genügend Halt.
Ihnen fehlen die mächtig auf sie eindringenden Wirkungen der Welt. Dagegen kann
der Besitz einer geschlossenen Gedankenwelt, Zweifel und Nöte mildern, auch
wenn im besonderen eine einzige alles beherrschende Wahrheit fehlt. So stehen
die Menschen gemäß Rudolf Eucken einem allmächtigen Schicksal gegenüber wie
wehrlos da.
Es
scheint sich deutlich abzuzeichnen, dass eben das, was den Menschen über die
bloße Natur hinausführt, ihn in ungeheure Probleme verwickelt, denen er nicht
gewachsen ist. Rudolf Eucken schreibt: „Unverkennbar erhebt sich bei ihm eine
neue Art des Lebens und scheidet ihn von den anderen Wesen. Dies Leben aber
scheint in der großen Welt keine Unterstützung und Förderung zu finden, es
sieht sich an undurchsichtige Bedingungen gebunden und wird vom Lauf der Dinge
als gleichgültig behandelt.“
Denkende Menschen stoßen auf die Idee der Unendlichkeit
und Ewigkeit
Wenn ein
Mensch zu denken beginnt, kommt er früher oder später auf die Idee der
Unendlichkeit und Ewigkeit und zerstört damit gleichzeitig alle Befriedigung
beim Zeitlichen und Endlichen. Von der Unendlichkeit aus betrachtet, muss dem
Menschen sein Tun und Treiben als unsäglich klein erscheinen. Der denkende
Mensch kann nicht umhin, seinen Lebenskreis als eng begrenzt, ja nichtig zu
empfinden. Der Gedanke der Ewigkeit setzt alle Ausdehnung des menschlichen
Lebens zu einer verschwindenden Spanne herab und droht im alle Lust und Mut zu
rauben.
Je mehr
ein Mensch seine Eigentümlichkeit entwickelt und je weiter ihn sein Denken über
das nächste Dasein hinausträgt und ihm zugleich das Gefühl einer Freiheit
vermittelt, desto härter scheint der Widerstand einer fremdartigen Welt, die
jener Bewegung nicht folgt, desto schwerer auch der Druck der Verkettung der
Dinge. Rudolf Eucken schreibt: „Deutlich genug zeigt auch der unmittelbare
Anblick der menschlichen Erfahrung, dass der Fortgang der Kultur den Menschen
weit mehr in wachsende Verwicklung geführt, als ihm ein reines und volles Glück
beschert hat.“
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